So ziemlich jeder hat hier diesmal unterschätzt, wie schwer die Strecke bei aller Schönheit ist. Vermutlich sogar die Veranstalter – Sie haben ein Monster erschaffen!
Diese Zeilen stammen vom deutschen Trailrunning-Guru Stephan „Gripmaster“ Repke, und besser könnte man den neuen Stern am Himmel der Trailrunning Events, den Großglockner Ultra-Trail, nicht charakterisieren. Die harten Fakten mit 7000 positiven Höhenmetern auf einer Distanz von 110km sorgten schon vor der Eventpremiere am letzten Wochende für ordentlich Respekt. Dass das neue „Monster“ mit Start und Ziel in Kaprun/Zell am See jedoch gleich 70% der Teilnehmer abwirft, damit hat wohl keiner gerechnet…
Für mich sollte der Großglockner Ultra-Trail mein erster, echter Ultramarathon werden. Unter einem Ultramarathon versteht man in der Literatur jeden Lauf, der über die herkömmliche Marathon Distanz von 42.195km hinaus geht. Für mich liegt die Definition jedoch schon deutlich über der Marathon Distanz. Nach meinem tollen Abschneiden beim HochkönigMan 2015 (4./Marathontrail 46km), beim Mozart Senic55 (55km) bzw. an den beiden „Gasttagen“ im Rahmen der Salomon 4Trails 2015 [1], [2], war es an der Zeit mich auf die Ultradistanz zu wagen.
So ging es, gemeinsam mit Freund und Teamkollege Gerald Bauer, am Freitag nach Kaprun/Zell am See zur Premiere des Großglockner Ultra-Trails. Ein Blick auf die Startliste unterstrich deutlich die „Relevanz“ dieses Events, gab sich schließlich fast die gesamte österreichische Trailrunning-Szene ein Stelldichein. Um Punkt 18:00 Uhr fiel dann am Hauptplatz in Kaprun der Startschuss für die gut 250 Athleten auf der 110km Distanz.
Voll motiviert, gut vorbereitet, und mit extrem leichten Material ausgestattet, ging es auch für mich gleich mit einem anständigen Tempo auf die traumhafte Strecke. Nach Kilometer 20 (1000hm) passierten wir die erste Labestation bei der Mautstation Ferleiten, und ich hatte bereits mit ernsthaften Problemen zu kämpfen.
Nach nicht einmal einem Fünftel der Gesamtdistanz musste ich leider einsehen, dass die harten Rennen der letzten Wochen nicht gerade ideal für eine Ultra-Vorbereitung waren. Nochdazu vertrage ich Hitzetage weniger gut, und davon gab es zuletzt einige. Egal, ich war nunmal am Weg, und so einen Ultra wirft man nicht so schnell weg – Tempo raus, ruhiger weiterlaufen, dann wird’s schon gehen. Theoretisch klingt das ganz gut, nur leider wartete mit der Pfandlscharte ein extrem steiler, 2000hm Anstieg auf mich. Irgendwo mitten in diesem Anstieg – meine Lupine hatte ich dank Finsternis längst aktiviert – wollte mein Körper einfach nicht mehr. Out of Power meldete mein Herz-Kreislaufsystem, und ich lies mich enttäuscht ins Gras fallen. Was ist los mit mir? Ich laufe/gehe im Schneckentempo, hab gerade mal 30km auf meiner Suunto Ambit3 stehen, und kann nicht mehr? Bei den 4Trails vor zwei Wochen war ich deutlich schneller über 42km unterwegs – problemlos… Was nun? Aufgeben? Zahlreiche Athleten ziehen an mir vorbei, erkundigen sich alle(!!!) nach meinem Befinden. Ich tue es mit „passt schon, alles okay ab“, kämpfe aber innerlich mit mir.
Der Blick zurück nach Ferleiten war beeindruckend! Eine unendliche Lichterkette schlängelt sich durch das Tal, und erst die Tiefenblicke verdeutlichten die Steilheit dieser 2000m „Wand“. Ich holte meine Salomon S-LAB Light Jacket raus, und versuchte mich wieder am Gehen. Ich musste irgendwie da rauf! Kurz vor der Scharte traf ich auf Florian Grasel, der an aussichtsreicher Position liegend aus gesundheitlichen Gründen leider aufgeben musste, und Richtung Ferleiten zurückging.
„Ich breche auch ab, und gehe mit dir mit zurück!“ – „Nichts da, du bist ja eh schon auf dieser Scharte! Aufgeben kannst beim Glocknerhaus immer noch, aber du ziehst das heute durch!!!“
Nach längerem hin und her, konnte mich Florian schließlich überzeugen, vorerst weiterzumachen. Den vorab steilen Serpentinen folgte nun ein noch steilerer, gerader Pfad durch ein Geröll- und später Schneefeld zur Pfandlscharte, wo eine kurze Abseilpassage für etwas Abwechslung sorgte.
Bergab ging so einigermaßen, und somit nahm ich gegen Mitternacht dann halt doch den nächsten „Teilabschnitt“, den bekannten Wiener Höhenweg, vom Glocknerhaus, über die Salm- und Glorerhütte nach Kals in Angriff. Lt. Roadbook ein 22km langer, welliger Trail mit einem 500hm Anstieg zu Beginn. Hätte ich doch gute Beine gehabt, ich hätte auf diesen Traumpfaden gejubelt. Dieser Höhenweg ist der Traum eines Trailrunners, nur leider war ich nicht mehr in der Lage, dieses Schmuckstückchen ordentlich zu würdigen.
Mit einem neuen Problem konfrontiert – meine Harnblase wollte alle 5 Minuten unter Schmerzen entleert werden – erreichte ich gegen 4:30 Uhr Kals am Großglockner. Ich traute meinen Augen nicht, als ich in die „Verpfegungsstation“ einlief. Da hockten Gerald Bauer, Demeter Dick, Thomas Bosnjak, und fasselten irgendetwas von Aufgabe. Gerald Bauer hatte es am schlimmsten erwischt, seine Blasen auf den Fußsohlen, die er sich vor kurzem bei den 4Trails eingefangen hatte, hatten sich „nicht gut“ entwickelt – Aufgabe unvermeidbar.
„..total leer, nichts geht mehr – meine 100km in Istrien letzte Woche waren einfach zuviel. Die Strecke ist hart, echt hart…“, stammelte ein sichtlich gezeichneter Demeter Dick, HochkönigMan 2015
Nach längerem hin und her – ich war fast eine halbe Stunde in Kals – fassten Demeter und ich die Entscheidung, doch noch mal unser Glück zu versuchen, und die 50km/2500hm bis ins Ziel nach Kaprun in Angriff zu nehmen. Demeter hatte ich dieses Jahr beim HochkönigMan kennengelernt, wo ich – von der kürzeren Strecke kommend – ihn einige Kilometer vor dem Ziel eingeholt hatte, und wir gemeinsam Richtung Ziel gelaufen sind. Ich glaube immer noch, ohne ihn wäre ich in Kals ausgestiegen…
Meine neu gefundene Motivation wurde leider nach einigen Kilometern im Anstieg auf den Kalser Tauern (2.500m) durch erneute, diesmal verstärkte Harndrang-Probleme gestört. Nun ging tatsächlich nichts mehr. Keine fünf Minuten vergingen, ohne dass ich unter Höllenschmerzen Wasser lassen musste. An Laufen war nicht zu denken, die Erschütterungen waren nicht zu ertragen – es drohte die Aufgabe auf der Rudolfshütte, 25km vor dem Ziel. Die Rettung kam in Person von Leitner Alois, der hinter mir nachgehend eine starke „Dehydration“ diagnostizierte, und mir asap „2 Liter Wasser verordnete“. Auf der Rudolfshütte nahm ich diese, und zusätzlich noch etwas Suppe zu mir. Nach wenigen Minuten war ich schmerzfrei, und eigentlich wieder „voll da“.
Ich gehe jetzt da raus, laufe ambitioniert los, und wenn ich nach 15 Minuten nicht mehr kann, kehre ich zurück und gebe endgültig auf!!!
Mit diesem Motto verlies ich die Rudolfshütte, und nahm die letzten 25km in Angriff. Schmerzfrei konnte ich nun endlich wieder zügig und kraftvoll laufen. Ich machte Platz um Platz gut, und ich war endlich, endlich wieder „im Rennen“. Unter Hocheiser und Kitzsteinhorn vorbei querened, führte der traumhafte Trail Richtung „Schmiedinger Scharte“, der letzten harten Prüfung des Großglockner Ultra-Trails. Obwohl ich mich jetzt gut fühlte, stieß ich nun auch Muskulär an meine Grenzen, und brauchte für die 600hm fast eine Stunde. Aber immerhin hatte ich mittlerweile Platz 10 inne, nachdem ich zahlreiche Teilnehmer wieder zurücküberholen konnte. Im folgenden 2000hm Downhill Richtung Kaprun lies ich nicht locker, und konnte meine beiden Verfolger auf den letzten flachen Kilometern endgültig distanzieren.
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht konnte ich nach 20h:41m meinen allerersten Ultra-Trail doch noch in den Top10 finishen – YESSS! Die Zeit vergessen wir mal, und ziehen vor Markus Amon/Klaus Gösweiner, die ex aequo das Ziel nach 16h47m erreicht haben, den Hut.
Ich bin überzeugt, der Großglockner Ultra-Trail hat das Potential ein echter Klassiker zu werden. Die Organisation war bereits bei der ersten Auflage top. Die Streckenmarkierungen könnte nicht besser sein, der Bergrettungsdienst war bestens positioniert, und konnte auch den gewitterbedingten Abbruch kurz vor Ende des Zeitlimits scheinbar problemlos durchführen. Die Labestationen waren ebenfalls top, lediglich die Distanz zwischen den Stationen war „etwas weit“, aber noch vertretbar.
Auch die vom Veranstalter angestrebte Aufnahme des Events in die Ultra-Trail World Tour scheint mir realistisch zu sein. Ich bin mir auch sicher, dass die zahlreichen Teilnehmer, die den Ultra-Trail nicht finishen konnten, sich nächstes Jahr erneut am „Monster“ versuchen werden. Heuer sahen gerade mal 67 (3 Frauen) von 250 gestarteten Athleten das Ziel in Kaprun!
Einen tollen Bericht, mit zahlreichen Bildern zur „Halbdistanz“ gibt es von Sabrina Schulze, die die 50 Kilometer von Kals nach Kaprun gelaufen ist!
Großglockner Ultra-Trail, 24.07.2015
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