Wienerwald Ultra Trail – Mein erster 100 Meiler!!!

30.09.2018, Purkersdorf/Wien: Halb 4 Uhr morgens, ich bin am Weg zurück in meine Unterkunft. Ich packe mein Mobiltelefon aus, um einen kurzen Anruf abzusetzen, damit ich ins Apartment komme. Schlüssel hatte ich vorsorglich für den Wienerwald Ultra Trail keinen mitgenommen. Jetzt wäre dieser äußerst hilfreich, da mein Handy streikt. Kein Akku mehr. Ich bin müde – schließlich bin ich doch schon seit fast 24h auf den Beinen. An der nächsten Häuserecke hat noch eine Spielhalle offen. Ich gehe – noch immer in meiner Laufbekleidung, inkl. Trinkrucksack, Stöcke, etc. – hinein, und frage nach eine Ladestation für mein Handy. Der Kellner sieht mich ganz verwundert an, hilft mir jedoch schnell und unkompliziert weiter. Er bietet mir heißen Tee an, und fragt mich in seinem türkisch-wienerischen Dialekt: „Warst du Wandern!???“ – „Oh ja, das war ich, und zwar 166 Kilometer weit!!!“

Nach dem Ausstieg beim Ultra Trail du Mont Blanc (UTMB) 2017, meinem ersten Versuch auf der 100 Meilen Distanz, dem ebenfalls mehr als missglückten Start beim Mozart100 (Aufgabe nach nicht mal 45 von 103 Kilometern) im Juni dieses Jahres, hatte ich schon ernsthafte Zweifel, ob denn diese Ultradistanzen wirklich etwas für mich seien. Als mir der Wienerwald Ultra Trail 2018 Ende August erstmals auffiel, wuchs in mir die feste Idee, es einfach nochmals ganz entspannt, ohne Druck, still und leise zu versuchen. Ich wollte diese Monster-Distanz – immerhin sind 4, mit Höhenmetern gepickte, Marathons am Stück zu absolvieren – unbedingt bewältigen. Keine Zielzeit, keine geplante Pace, nein nur ein Durchkommen innerhalb der Karenzzeit von maximal 37 Stunden brannte ich mir als Zielvorgabe in meine Gehirnwindungen. Immer wieder wiederholte ich diese Vorgabe, und versprach mir, fest daran festzuhalten. Ich wollte auch unbedingt auf eine richtige Ernährung im Rennen achten, und positive Erfahrungen für größere Ziele sammeln.

Mit großer Vorfreude, aber auch einer gehörigen Dosis Respekt ging es am Freitag Nachmittag nach Purkersdorf/Wien. Gegen 18:00 Uhr im Wienerwald angekommen, stand erstmal die obligatorische Startnummern-Abholung im Zentrum von Purkersdorf am Programm. Viel war nicht mehr los, einige wenige Läufer stöberten noch durch die Expo. Lange blieben wir nicht, schließlich wollte ich noch gut essen, mein Equipment packen, und ausreichend Schlaf finden.

Um 05:30 Uhr klingelte der Wecker. Bereits leicht nervös schlüpfte ich in meine bestens erprobte Trailrunning Bekleidung, um keine Risiken bzgl. Material einzugehen. Zum Frühstück gab es gut verträgliches, sättigendes Porridge. Viel Zeit blieb nicht mehr, mein tolles, familiäres Betreuerteam drängte schon in Richtung Purkersdorfer Hauptplatz.

Der Wienerwald Ultra Trail wurde dieses Jahr zum ersten Mal ausgetragen, und lässt sich als kleine, familiär organisierte Veranstaltung charakterisieren. Alles hat seine Ordnung. Die Strecke ist bestens markiert, es gibt eine Dropbag Zone mit Zelt, die Labestationen sind ausreichend und gut organisiert, einzig nach warmer Verpflegung musste man an der Hauptlabe bei Start/Ziel fragen, bekam daraufhin aber prompt heiße Suppe gereicht! Drei Distanzen wurden zeitgleich gestartet, galt es doch eine, zwei oder drei (=100 Meilen) Runden zu je 55 Kilometer zu absolvieren. Dabei führt eine Runde in einer großen Schleife durch den Wienerwald, und ist durch zahlreiche kurze An- und Abstiege gezeichnet, wie dem Höhenprofil zu entnehmen ist!

Punkt 07:00 Uhr fällt schließlich der Startschuss, und ein mit insgesamt 250 Läufern überschaubares Starterfeld setzt sich in Bewegung. Auf den ersten Kilometern wiederhole ich immer wieder meine persönlichen Ziele (Durchkommen, Ernährung, Erfahrungen sammeln), und passe meine Geschwindigkeit dementsprechend an. An den Labestationen lasse ich vermeintliche Mitstreiter ziehen, und gebe mir ausreichend Zeit. Ich fülle meine Energiespeicher auf, und genieße die ständige Präsenz meiner „zähen Betreuer“. Kurz zusammengefasst, ich gehe es zügig, aber entspannt und locker an. Dass die erste Runde trotzdem ganz schön flott war, bemerke ich erst als ich an Start und Ziel vorbeikomme. 5h30min zeigt meine brandneue Suunto 9 an. Für 55km / 1.900hm ganz okay!

Gut gestärkt und weiterhin voll motiviert starte ich in die zweite von drei Runden. Mittlerweile kenne ich die Strecke ja schon, und kann mir daher die einzelnen Abschnitte ganz gut einteilen. Der Wienerwald zeichnet sich ja nicht gerade durch steile, lange Anstiege aus. Maximal 200 Höhenmeter sind am Stück zu absolvieren, bevor es wieder bergab geht. Die in den Alpen so beliebten, langen „Powerhikes“ sucht man vergebens. Im Grund ist alles laufbar, wodurch das Unternehmen dank fehlender, muskulärer Abwechslung schon fordernd wird. Eigentlich läuft alles bestens, als sich ab Kilometer 70 schön langsam meine Bauchmuskeln verabschieden. Etwa zeitgleich beginnen auch meine Adduktoren zu schmerzen, und ich bedauere zu wenig in ein Stabilisationstraining investiert zu haben. Die immer noch vor mir liegenden 90(!) Kilometer beunruhigen mich, allerdings ist auch klar, dass es in einem Ultralauf immer Höhen und Tiefen geben wird. Jetzt stecke ich in einem Tief, aber das nächste Hoch kommt bestimmt!

Es hat zwar ein klein wenig gedauert, aber nach weiteren 15 Kilometern beruhigen sich meine Adduktoren wieder. Endlich kann ich wieder leichter und flüssiger Laufen – es fühlt sich wieder gut an! Ich werde wieder schneller, auch wenn ich mich weiterhin bewusst „bremse“. Nur ins Ziel kommen ist ja mein Motto! Meine Betreuer erwarten mich schon an der nächsten Labe, und kochen diesmal groß auf. Ich esse etwas Suppe, gekochte Kartoffeln und spare nicht bei der Flüssigkeitsaufnahme. Das Gefühl nicht alleine zu sein, stets ein tolles Team um mich herum zu haben, motiviert mich zusätzlich!

In der Dämmerung zeigt sich der Wienerwald dann von seiner besten Seite. Höchste Zeit, die Stirnlampe auszupacken, und bergab noch besser Acht zu geben. Gegen 19:30 Uhr beende ich die zweite Runde, und schön langsam kommt in mir der Gedanke auf, das ich mein Ziel, einen 100 Meiler zu finishen tatsächlich schaffen könnte. Jetzt gilt es aber ruhig zu bleiben, und an meiner Zieldefinition festzuhalten. Ich gönne ich mir in der Dropbox Zone eine neue Laufbekleidung, verpflege mich erneut gut, und mache mich mental für die bevorstehende Nachtschicht bereit!

Neue, frische Bekleidung nach 13 Stunden sportlicher Betätigung sind der Wahnsinn! Die ersten Kilometer verfliegen, auch weil ich mich wie neu geboren fühle. Nichts zwickt, nichts scheuert, es läuft einfach. So kann’s weiter gehen denke ich mir, und spule Kilometer um Kilometer runter!

Irgendwann deutlich nach Mitternacht verrät ein Blick auf meine Suunto 9, dass ich bereits 160 Kilometer in den Beinen habe. Was!? 100 Meilen!? Ich!? Ich kann’s gar nicht fassen, und freue ganz alleine irgendwo im Wienerwald wie ein Schnitzel!!! Welch ein mentaler Sieg über mich selbst!

…die restlichen 6 Kilometer ins Ziel stellen keine Probleme mehr da, und so laufe ich kurz nach 03:00 Uhr morgens ganz alleine über die Ziellinie in Purkersdorf. Ein Zielrichter kommt dann doch noch vorbei, und gratuliert mir. Kleine, familiäre Veranstaltung eben – aber wirklich nett!

Müde aber zufrieden ziehe ich mir meine wärmenden Klamotten über, und mache mich auf den Weg ins wärmende Apartment…

Zahlen Daten Fakten „Wienerwald Ultratrail“

  • Start/Ziel Purkersdorf bei Wien
  • 166 Kilometer, 5.700 Höhenmeter, drei Runden durch den Wienerwald
  • Wenig Asphalt, viele Schotterwege, einiges an Trails
  • Siegerzeit 17:55h, meine Zeit: 20:15h
  • Platz 2 von 11 Finishern (40 Starter), aber eine Platzierung war ja nie im Focus, und somit egal! 

Ausrüstung

  • Schuhe (Salomon S/LAB Sense6, Salomon Ultra Pro)
  • Funktionelle Salomon Laufbekleidung, einmal komplett gewechselt!
  • Salomon S/LAB Sense Ultra 5 Trinkrucksack mit 2 Softflasks
  • Salomon S/LAB Sense 125 Trailrunning Stöcke (hat’s tatsächlich gebraucht!)
  • Julbo Run Brille
  • Stirnlampe „Lupine Piko“, Petzl „E-Light“ zur Reserve im Rucksack

Verpflegung

  • 12 Liter ISO/Maltodextrin
  • 1,5 Liter Cola
  • 15 Salztabletten
  • 6 Gels
  • 6 Energieriegel
  • Nudelsuppe, Salzkartoffeln, Bananen, Nüsse, Tomaten

Das WICHTIGSTE zum Schluss: Mein Projekt „ich will nochmal zum UTMB“ lebt wieder, da dank der 6 UTMB Punkte für die 100 Meilen einer Anmeldung für 2019 nichts mehr im Wege steht #fingerscrossed ;)

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