Vergangenen November hielt Hans Kammerlander einen Vortrag, bei dem ich erstmalig von seinen 24h Wanderungen erfuhr. Ein perfektes Geburtstagsgeschenk für Bernd. Der Plan war geboren. Wenn Geri 24h auf dem Radl sitzt, dann ist 24h wandern eine Möglichkeit, dass auch wir mal diese Gefühl, an die Grenzen zu gehen, erfahren können. Da wir beide gut im Training stehen, waren wir gut vorbereitet – der Distanz und den Höhenmetern sahen wir dennoch mit Respekt entgegen. Für mich war die besondere Herausforderung Schlafentzug. Ich kenne diese 34h Situationen schon recht gut von meiner Betreuungtätigkeit bei Geris Rennen. Und so wusste ich im Vorfeld: Gegen 2-3 Uhr wird für mich ein Knackpunkt sein.
Nach ausgiebiger Einführung von Hans, Verteilung von Material (Stöcke, T-Shirts) im Hotel Edelweiss in Berchtesgaden folgte der Start, Freitag um 17:30 beim Parkplatz Toni-Lenz Hütte. Ausgerüstet mit leichten Wanderstöcken von Hans („die sind ordentlich, kein Klumpert“), einem leichten Rucksack („so leicht wie möglich…“) und viel Motivation marschierten 50 Wanderer, davon einige Bergführer, und Hans Kammerlander los. Für uns ungewohnt war das Tempo von Beginn an sehr konstant und gemütlich, lagen doch noch unzählige Stunden Fußmarsch vor uns. So erreichen wir die Toni-Lenz Hütte auch in der am Wegschild angegebenen Zeit. Ein perfektes Abendessen, die letzten Sonnenstrahlen, die sich durch die Wolkendecke drängen und die Stadt Salzburg anstrahlen und erste Glücksgefühle machen sich breit. Es geht weiter Richtung Stöhrhaus und schön langsam wird es dunkel. Das Donnergrollen hat sich zwar verzogen, dafür setzt Regen ein und manch einer fragt sich zu dem Zeitpunkt wohl, warum er nicht daheim gemütlich auf der Couch liegt. Ich für mich stelle fest, dass die Abgeschiedenheit, der Blick von oben ins Tal, mich richtig zur Ruhe kommen lässt. Das Gehen fällt mir leicht, der Regen macht gar nichts, viel mehr genieße ich die würzige Luft und die Stille am Berg. Durch die Tunnel hindurch beschleicht mich das Gefühl, auf den Dachboden eines alten Hauses zu steigen. Nachdem sich der 20minütige Regenschauer verzogen hat, kommt rechtzeitig um Mitternacht am Gipfel des Berchtesgadener Hochthrons der Mond heraus. Dies ist gleichzeitig der höchste Punkt unserer Tour. Ein überwältigend schönes Panorama tut sich vor uns auf: von Salzburg über Hallein, Berchtesgaden und Bad Reichenhall leuchten die Lichter zu uns hinauf. Ein schöner Moment. Gegen ein Uhr Früh erreichen wir das Stöhrhaus auf 1894m, wo es wieder hervorragende Verköstigung gibt. Manch ein Wanderer legt bereits erste Powernaps ein. Wir sind noch frisch und munter. Dann beginnt der Abstieg nach Maria Gern. 2:30 zeigt die Uhr. Eine Lichterkette wackelt Richtung Tal. Der Kopf ist leer, die Beine gehen automatisch. Die Wurzel vor mir sieht plötzlich ganz anders aus. Der Baumstamm war doch grad noch nicht da? Mitten im Gehen schlafe ich ein!!! Unvorstellbar. Die Rettung naht in Form eines Brunnens. Das kalte Wasser und die Motivation von Hans („du mußt mit einem Auge schlafen“, „sobald es hell wird geht es wieder“) lassen mich meinen Tiefpunkt schnell überwinden. So freue ich mich, als die Dämmerung beginnt und die Nacht scheint nur ein kurzes Zwischenspiel gewesen zu sein. Um halb fünf wachen auch die ersten Bauern auf, an deren Höfen wir vorbei gehen. Ein knackiger Anstieg auf die Kneifelspitze liegt noch zwischen uns und dem Frühstück. Sonne und Mond flirten an diesem Morgen heftigst. Der Watzmann strahlt in hellem Licht mit dem Nebel über Königsee zu Füssen. So muss ein Morgen sein! Mit einem herzhaften Frühstück im Magen brechen wir gegen 8 Uhr wieder auf. Alle freuen sich auf einen wunderschönen Tag, den wir noch mit Wandern verbringen. Das nächste Highlight wartet schon: die Almbachklamm. Die 3km lange Schlucht leuchtet in allen möglichen Grün-Tönen, dazwischen sprudelt grünlich-blaues Wasser und höhlt die Felsen aus. Moosige Felswände umrahmen das Bild. Das kühle Nass zeigt auch erfreuchliche Wrikung bei müden, brennenden Füßen. Bei einer kurzen Pause, kneippen wir durch den Bach und trocknen die Zehen in der Sonne. Über Markt Schellenberg gehts wieder hinauf in die Scheffau, wo wir gegen 14 Uhr bei unserem Bergwacht-Wanderkollegen Pauli einkehren. Diese vermeintlich feine Pause im Garten unter Obstbäumen und die Wanderung zwischen den verstreut liegenden Häusern zerren an meiner bisher tollen mentalen Stärke. Die Fußsohlen brennen, die Knie schmerzen und die Oberschenkel sind schwer. In der Sonne ist es zudem richtig heiß. Die bis zu dem Zeitpunkt geschlossene Gruppe reißt es von da an auseinander. Bergführer Toni geht unbeirrt in konstantem langsamen Schritt voraus. Hans motiviert die Nachzügler. Und so kommen alle auf den letzten Anstieg, vorbei bei den Barmsteinen, zur österreichischen Grenze. Hans und seine Bergführer Kollegen machen einen ausgezeichneten Job. Nichts bringt sie aus der Ruhe! Auch nicht eine Gruppe motiverter Wanderer, die es nicht mehr erwarten können ins Ziel zu gelangen, oder Debatten über die Zielfindung. Da wird zurück gepfiffen und alle wieder auf den richtigen Weg gebracht. An der Königsseeache entlang führen die letzten Meter Richtung Ziel, der Alpstation – Hans Kammerlanders Bergsportgeschäft in Niederalm. Mit Musi und Stiegl werden wir empfangen wie Sieger. Und irgendwie fühlt es sich auch so an: Sieger über sich selbst! 24h, 53km und 2800 Höhenmeter – eine wunderbare Erfahrung, herrliche Bilder und die Gewissheit, dass man mit mentaler Stärke so einige Wehwechen ganz gut wegstecken kann.
Danke an Hans Kammerlander und seine Bergführerfreunde für dieses gemeinsame Erlebnis, die vielen netten Gespräche und die hervorragende Organisation!
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